Heiße Ecke

Premiere:  24.09.2009 - Schauburg Ibbenbüren
Wiederaufnahmepremiere: 28.09.2011 - Schauburg Ibbenbüren

 

Ibbenbürener Volkszeitung vom 26.09.2009
Quasi-So begeistert in der Ibbenbürener Schauburg

Ibbenbüren. „Na, deine Frau kann ja auch zukugge!“ - Wer sich am Donnerstag zur Abendstunde noch im Noltengängesken am Oberen Markt herumtrieb, konnte schnell um Worte verlegen werden: Bordsteinschwalben in aufreizender Wäsche und Lackstiefeln schienen dort ihrem Tagesgeschäft nachzugehen und hauchten den Passanten ganz ungezogene Angebote entgegen. Das ganze „Wie wärs mit uns beiden?“ und „Warum so allein?“ gab schon mal einen Vorgeschmack auf das, was die Besucher bei der Musicalpremiere „Heiße Ecke“ des Quasi-So-Theaters erwartete.

Die Schauburg war dazu ganz im Zeichen des Hamburger Kultmusicals dekoriert, mit viel Oberweite, Rotlicht und Netzstrumpfhosen. Auf der Bühne dann die eigentliche „Heiße Ecke“, ein Imbiss auf dem Kiez, direkt zwischen der Neonwerbung zweier konkurrierender Bordelle. Hier fliegen für gut zwei Stunden buchstäblich die Fetzen, wenn die neun Darsteller die Reeperbahn zum Leben erwecken, mit derben Sprüchen um sich werfen, singen, tanzen und damit das Publikum im leider nur halb ausverkauften Saal immer wieder zum Lachen bringen.

Imke Strothmann, Manuela Schmiemann, Yvonne Grüner, Sabine Fricke, Kathrin Borchelt, Manfred Hagemann, Ansgar Kuper, Sebastian Horstmann und Andre Rulofs verleihen der Reeperbahn nicht nur eins, sondern über 50 Gesichter. Menschen, die mit ihren gegensätzlichen Lebensentwürfen, Eigenheiten und Macken wohl so oder so ähnlich jedem schon einmal begegnet sind. Da sind beispielsweise die Pinneberger Fußballfans Mikie, Frankie und Pitter, die zum Junggesellenabschied durch St. Pauli ziehen, Spaß und leichte Mädchen suchen, aber am Ende stattdessen die Liebe finden. Oder der Hehler Henning, der dem Nachtleben endlich den Rücken kehren will und es irgendwie doch nicht über das Herz bringt. Alle erzählen ihre ganz eigene Geschichte, mal kitschig, mal verrucht, mal melancholisch, aber meistens erfrischend bodenständig und dabei urkomisch: „Günther will noch eine Wurst...“

Den neun Darstellern werden dabei sowohl vor, als auch hinter der Bühne Höchstleistungen abverlangt: In Windeseile müssen sie von einer Rolle in eine andere (gerne mal komplett komplementäre) schlüpfen und das Kostüm wechseln. Kostümbildnerin Ute Stöttner ist dabei einen kaum auszumachenden Kompromiss zwischen Praktikabilität und Detailverliebtheit eingegangen. Auch das Bühnenbild (Klemens Hergemöller, Rainer Möller, Imke Strothmann) ist ein Farbenrausch mit hier und da bewusst trashigen Akzenten, zum Beispiel der falschen Hotelaufschrift „Rendevous“. Bei den zahlreichen Ohrwurmsongs spielte die Liveband (Philip Borgmann, Kai Dorenkamp, Thorsten Käsekamp, Matthias Lahrmann, Andre Welzel, Einstudierung: Imke Fletcher) hinter einem Puff-Schaufenster. Dazu sangen sich die Darsteller die Seele aus dem Leib - nicht immer schön, aber dafür authentisch. Besonders lustig: Beim Song „Irgendwann“ wird die Musicalkultur à la Lloyd-Webber herrlich auf die Schippe genommen, indem nach und nach alle erdenklichen Musicalgestalten aus „Cats“, „Starlight Express“ oder dem „Phantom der Oper“ auf die Bühne tanzen.

Regisseur Klemens Hergemöller orientierte sich bei seiner Inszenierung stark am Hamburger Original, das als erfolgreichstes Musical der Hansestadt gefeiert wird. Das muss man so nicht machen, kann man aber, und hier funktioniert es einfach gut. Durch den Mut, mit einem unkonventionellen Musical wie „Heiße Ecke“ in die Saison zu starten, hat das Quasi-So jedenfalls Profil gezeigt. Das fanden auch die Zuschauer, die am Ende der gelungenen Vorstellung kräftig applaudierten. Eine Liebeserklärung an Hamburg? Eine Liebeserklärung an das Leben!